World Trade Center
Kaum ein Bild ist bis heute in den Medien und unseren Köpfen so präsent, wie das des ins World Trade Center rasenden Flugzeugs. Im amerikanischen Bewusstsein entstand eine tiefe Wunde, auf die Oliver Stone nun seinen Finger legt. Allerdings nicht, wie gewohnt, um tiefer zu bohren, sondern um zu heilen.
Erzählt wird die wahre Geschichte des erfahrenen Polizisten John McLoughlin (Nicolas Cage) und seinem jungen Kollegen Will Jimeno (Michael Pena), die mit ihrer Einheit zum brennenden World Trade Center gerufen werden, um die Evakuierung vorzunehmen. Noch bevor sie begreifen, was eigentlich passiert ist, fällt das gesamte Gebäude über ihnen zusammen und begräbt alles unter sich. Beklemmende Dunkelheit und Stille. Eingeklemmt unter Tonnen von Stahl und Beton überleben McLoughlin und Jimeno schwer verletzt. Mit Gesprächen und Gedanken an ihre Familien halten sie sich gegenseitig am Leben und hoffen auf Hilfe.
Oliver Stone fokussiert die Ereignisse auf das Schicksal zweier Menschen und lässt politische Zusammenhänge komplett außen vor. Das ist bei dem Thema und besonders bei diesem Regisseur schon erstaunlich. So gab Paramount im Hinblick auf die Kritik von Angehörigen der Opfer klare Anweisung, keinen politisch brisanten Film zu drehen. Dass der Spezialist für amerikanische Traumata sich darauf einließ, zeigt, wie sehr die letzten künstlerischen und kommerziellen Misserfolge an ihm gezehrt haben.
Die Kritik an Stones unpolitischem Film ist berechtigt. Allerdings verzichtet World Trade Center auch auf einen aufdringlichen Patriotismus und ein personifiziertes Feindbild. Stone stellt die Menschlichkeit in den Mittelpunkt, was angesichts der überstrapazierten politischen Ausschlachtung von 9/11 durchaus legitim ist. Auf dieser Ebene funktioniert der Film, indem er die Katastrophe für den Zuschauer physisch und psychisch erfahrbar macht und eine bewegende Geschichte erzählt.
Ärgerlich ist jedoch die Darstellung des Marine-Soldaten Dave Karnes (Michael Shannon), der direkt aus einem Werbespot der US-Armee zu kommen scheint und mit seinem Glauben an Gott und Vaterland die Eingeschlossenen findet.
World Trade Center ist kein wichtiger Film geworden, aber solides Unterhaltungskino.
USA 2006, 126 min., Regie: Oliver Stone, Darsteller: Nicolas Cage, Michael Pena, Maria Bello, Maggie Gyllenhaal