Hard Candy
Tuesday, June 27th, 2006
Die virtuelle Welt der Chat-Rooms bildet den perfekten Ausgangspunkt für diesen Film, der mit der Konstruktion von Rollen und Identität spielt. Die 14-jährige Hayley (Ellen Page) lernt im Internet den 32-jährigen Fotograf Jeff (Patrick Wilson) kennen. Bei ihrem ersten Date macht Hayley schnell klar, wo es hin gehen soll: zu Jeff nach Hause. Dort spielt Hayley die Lolita, während Jeff offenbar keinen Gedanken an ihre Minderjährigkeit verschwendet. Hätte er mal- denn nach zwei Gläsern fällt er bewusstlos zu Boden und wacht fest verschnürt wieder auf, konfrontiert mit der Anschuldigung, ein krimineller Pädophiler zu sein.
Durch den Tausch der Täter-Opfer-Rolle identifiziert sich der Zuschauer zwangsläufig mit dem potenziellen Pädophilen. Ein unangenehmer Zustand, der nur funktioniert, weil man bis zum Schluss nicht genau weiß, ob Jeff nun tatsächlich Täter oder Opfer oder beides ist. Am Ende beantwortet der Film diese Frage zwar, stellt damit aber gleichzeitig viele neue. Das hebt den Film deutlich von vielen anderen des Genres ab.
Hard Candy bietet Suspense auf hohem Niveau, indem er mit der Fantasie des Zuschauers arbeitet. Die Kamera zeigt immer nur einen Ausschnitt- nie das ganze Bild, nie die ganze Wahrheit. Das ist dramaturgisch und physisch dicht inszeniert und packt in einer Szene besonders Männer bei den Eiern und somit ihren Urängsten.
Hard Candy ist kein Zuckerschlecken, sondern ein beklemmendes Kammerspiel par excellence!
USA 2005, 103 min., Regie: David Slade, Darsteller: Ellen Page, Patrick Wilson